Donnerstag, 15. Oktober 2009

Die größten demokratischen Steuerverschwendungen des Jahres 2009


Berlin - 128 Fälle sind es, und stets geht es um zweifelhafte Ausgaben, Verschwendung, Prasserei: Trotz Finanzkrise und wachsender Haushaltslöcher sollen Bund, Länder und Gemeinden auch im vergangenen Jahr Milliarden verschwendet haben. Das geht aus dem Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung 2009" hervor, das der Bund der Steuerzahler am Donnerstag in Berlin vorstellte. Insgesamt listet die 37. Ausgabe Fehlleistungen im Volumen von mehr als 30 Milliarden Euro auf. Das überschreitet die durchschnittliche Summe der vergangenen Jahren deutlich. Wenn die Thematik nicht jeden Steuerzahler anginge, könnten die aufgelisteten Fälle durchaus für Erheiterung sorgen. So nutzte Sachsen-Anhalt Fördermittel der EU zur Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft auf sehr interessante Weise: Sie wurden unter anderem für eine Modenschau und für Live-Musik für Nutztiere ausgegeben. Das nordrhein-westfälische Schulministerium wiederum zahlt einer externen Beratungsfirma jährlich rund eine halbe Million Euro - nur um Pannen beim Zentralabitur zu vermeiden. Auch die Stadt Köln leistet sich laut Schwarzbuch einen Schildbürgerstreich: Dort werden den Angaben zufolge 100.000 Euro im Jahr ausgegeben, um den Heinrich-Böll-Platz etwa drei Mal täglich von Sicherheitsleuten abzusperren. Der Grund: Unter dem Platz probt und spielt die Philharmonie. Doch die Schallisolierung sei so schlecht, dass sich jeder Rollkoffer oder Stöckelschuh auf dem Platz akustisch bemerkbar mache. Ein Umbau wäre auf lange Sicht billiger, mahnt der Steuerzahlerbund.

Fragwürdige Ausgaben kritisiert das Schwarzbuch auch in Lübeck. Dort mietet die Stadt zwei japanische Designer-Toiletten für den Marktplatz an und zahlt dafür 130.000 Euro im Jahr - noch ohne Reinigungs- und Wartungskosten. Mit zwei Jahrsmieten könnte die Stadt einen kompletten Neubau finanzieren, rechnet der Verband vor.

Baden-Württemberg
Beim Neubau der B 464 zwischen Renningen und Sindelfingen ist einiges schief gelaufen. Die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Verkehrsuntersuchung wurde Mitte der neunziger Jahre erarbeitet. Diese erwies sich als nicht mehr haltbar, so dass sie im Jahr 2005 aktualisiert werden musste. Dies und weitere Umstände führten dazu, dass die Straße schließlich komplett umgeplant werden musste. Das alles verursachte beachtliche Kostensteigerungen. Während sich die ursprünglich geplanten Kosten auf 24,5 Mio. Euro beliefen, haben sie sich auf mittlerweile 43,8 Mio. Euro erhöht.

Bayern
Die spektakuläre Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. hat auch die Landeshauptstadt München nicht verschont. Sie ist mit einem Gesamtbetrag von maximal 4 Mio. Euro von dieser Insolvenz betroffen. Auch wenn die Geldanlagen, die zum Zeitpunkt ihres Erwerbs im oberen Investmentgrade-Bereich (A +) eingeordnet waren, durch entsprechende Stadtratsbeschlüsse gedeckt waren und die Stadt München in den vergangenen drei Jahren aus diesen Anleihen Zinsen in Höhe von rund 630.000 Euro vereinnahmen konnte, ist der mögliche Ausfall schmerzlich.


Berlin
Die Imagekampagne des Landes Berlin war bereits Thema im Schwarzbuch 2008. Die fast 11 Mio. Euro teure Kampagne wurde vom BdSt kritisiert, weil Touristen auch ohne teure Imagepflege die Hauptstadt besuchen. Im Rahmen der Imagekampagne machte Berlin 2009 mit einer Städtetour auf sich aufmerksam. Die Einwohner von Hamburg, Bremen, Leipzig, Dresden, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart, Freiburg und München wissen nun, dass man Berlin „sein kann".

Brandenburg
Die frühzeitige Entscheidung des Brandenburger Justiz- und des Finanzministeriums für eine Liegenschaft der Westgruppe der Truppen in Cottbus-Dissenchen als Baugelände für den Neubau der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen basierte weder auf einer verlässlichen Bedarfsermittlung für die Anzahl der Haftplätze noch auf einem Vergleich mehrerer Varianten bei der Standortwahl. Dadurch dürften Kosten in Millionenhöhe unnötig entstanden sein. Die Gesamtausgaben betrugen 84,3 Mio. Euro.

Hamburg
Die Stadt Hamburg ließ von einer Werbeagentur vier Motive entwerfen, die im Rahmen einer Motivationskampagne zur Europa-Wahl am 7. Juni 2009 in Hamburg auf Plakaten, im Fahrgastfernsehen der Hochbahn sowie an Bussen ab Mitte Mai zu sehen waren. Die schlichten Motive mit Slogans wie „Europa ist ein leckeres Fischbrötchen" oder „Europa ist ein flauschiger Kuschelbär" sollten nach Auskunft des Senats auf humorvolle Weise das Bewusstsein jedes einzelnen Bürgers für Europa schärfen. Angesichts des dürftigen Informationsgehalts und des doch eher infantilen Charakters der Kampagne hätte die Stadt die Kosten in Höhe von 125.000 Euro lieber sparen sollen.

Hessen
Im Schwarzbuch 2005 berichteten wir über den Ankauf des Erbacher Schlosses für über 13 Mio. Euro durch das Land Hessen. Ziel dieser Maßnahme war, die touristische Entwicklung der Odenwälder Region voranzubringen und die Besucherzahlen um ein Mehrfaches auf rund 100.000 zu steigern. Die Besucherzahlen gingen angeblich wegen der „sehr hohen Benzinpreise" mit 27.534 im Jahr 2006 spürbar auf 21.034 im Jahr 2008 zurück. Während also die Zahl der Besucher deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb, stiegen die jährlichen Folgekosten von 225.000 Euro im Jahr 2006 auf rund 450.000 Euro im Jahr 2008 dagegen kontinuierlich an.

Mecklenburg-Vorpommern
Im Entwurf für den nächsten Haushalt plant die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2010 einen Titel für Meinungsumfragen ein. 70.000 Euro sind dazu im Etat des Ministerpräsidenten veranschlagt. Damals fragte die Regierung ihre Beliebtheit bei den Landeskindern ab und zudem auch noch die Imagewerte des neuen Ministerpräsidenten. Da diese nicht sehr gut waren, wollte die Staatskanzlei die Ergebnisse unter den Tisch fallen lassen. Zudem gab es Ärger bei der Vergabe der 85.000 Euro teuren Umfrage an das Meinungsforschungsinstitut Polis Sinus.

Niedersachsen und Bremen
Die Stadt Salzgitter wollte die Nord-Süd-Straße (K12) vierspurig ausbauen und den Knotenpunkt K12/L363 (Heerter Kreuzung) mit einem aufwendigen Brückenbauwerk versehen. Die Kosten hierfür waren mit 12,4 Mio. Euro veranschlagt. Die geplante Brücke wurde aus verkehrlicher Sicht nicht als erforderlich, dazu zu kostspielig und haushaltspolitisch als nicht vertretbar bewertet.

Nordrhein-Westfalen
Gronau hat die Chance vertan, ein finanzielles Fass ohne Boden zu schließen. Die örtliche SPD war im Rat der Stadt dafür eingetreten, das Rock’n’ Pop-Museum aufzugeben. Das Museum kostet Gronau jedes Jahr bis zu einer Million Euro. Dass diese Zuschüsse irgendwann nicht mehr erforderlich sein werden, scheint kaum realistisch. Denn so ambitioniert und vielfältig die Ausstellungen und Veranstaltungen des Hauses auch sind, es finden einfach zu wenig zahlende Besucher den Weg ins tiefste Münsterland.

Rheinland-Pfalz
Zwischen 1996 und 2008 war das Konto der Verbandsgemeinde Unkel bei der Sparkasse Neuwied überwiegend im Soll. Für überzogene Girokonten verlangen Banken meist hohe Zinsen und so stellte die Sparkasse der Verbandsgemeinde in den betreffenden Jahren zwischen 6,5 und 9,5 Prozent Überziehungszins in Rechnung. Daraus resultierten Zinszahlungen in Höhe von über 1,18 Mio. Euro, also fast 100.000 Euro pro Jahr.

Sachsen
Der BdSt Sachsen beanstandete im Jahr 2006 das Projekt Vogtlandschanze (Schwarzbuch 2006). Aus einer ursprünglich geplanten Nachwuchssprungschanze für 7,5 Mio. Euro wurde kurzerhand eine internationale Wettkampfschanze. Auch die Investitionssumme stieg sprunghaft an, aus ursprünglich 12,1 Mio. Euro wurden nunmehr 17,2 Mio. Euro Gesamtkosten. Nun forderte die Europäische Kommission die bewilligten Fördermittel zurück. Eine Prüfung ergab, dass das Projekt Vogtlandschanze nicht hätte gefördert werden dürfen, da eine vorrangige Nutzung für die Nachwuchsförderung nicht nachgewiesen wurde. Nunmehr übernahm das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Förderung. Rund 10,5 Mio. Euro musste der sächsische Steuerzahler zusätzlich für diese Schanze aufbringen.

Sachsen-Anhalt
Das Tiefbauamt Stendal verschickte im August 2009 Bescheide über Beiträge zur Gewässerunterhaltung, was nicht zu beanstanden ist. Doch in seiner Gier, Geld einzusammeln, hatte es keine Hemmungen, auch Bescheide über 34 Cent pro Jahr zu versenden, und zwar sogar rückwirkend für 2007 und 2008. Wenn man bedenkt, dass allein das Porto für den Bescheid 55 Cent beträgt, kommt selbst bei „einer Restschuld von 0,68 Euro für zwei Jahre", wie es am Ende des Bescheids heißt, der Steuerzahler ins Grübeln.

Schleswig-Holstein
Wie viele andere Kommunen auch, ist der Kreis Pinneberg hoch verschuldet. Ende 2008 hatten sich fast 75 Mio. Euro Schulden angehäuft. Erst im Mai 2009 bescheinigte das schleswig-holsteinische Innenministerium, dass die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Kreises nicht mehr gegeben sei. Dennoch leistet sich der Kreis eine defizitäre Jugendeinrichtung mit 38 Betten bei Hadersleben in Dänemark. Mit insgesamt 39.900 Übernachtungen in den vergangenen zehn Jahren war das Jugendheim noch nicht einmal zu 30 Prozent ausgelastet. Dafür wurde es im selben Zeitraum vom Kreis mit insgesamt knapp 430.000 Euro unterstützt. Das ist ein Zuschuss von fast 11 Euro je Übernachtung.

Thüringen
Die Untermhäuser Brücke in Gera wurde in den Jahren 1998/99 mit Gesamtkosten in Höhe von 664.679 Euro (1,3 Mio. DM) denkmalschutzgerecht saniert. Mit 33 Prozent beteiligte sich der Bund an der Baumaßnahme und auch der Freistaat förderte mit 64,5 Prozent das Projekt. Im Sommer 2008 stellten die Stadtverantwortlichen nach einem Brand im angrenzenden Brückencafé erhebliche Fäulnisschäden am Eichenbelag sowie an den hölzernen Belagsunterlagen fest. Die Schadenshöhe wurde auf 200.000 Euro geschätzt. Das mit der Planung und Bauüberwachung beauftragte Ingenieurbüro hat 1999 Insolvenz angemeldet, sodass die Durchsetzung von Schadenersatzforderungen schwerlich möglich erscheint.


Quelle: welt.de/spiegel.de

Weitere kuriose Steuerverschwendungen unter:

Kuriose Steuerverschwendungen Teil 2


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